Warum viele Anleger die Besteuerung von Kryptos falsch verstehen: Keine 25% Abgeltungssteuer
Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum oder Solana sind längst kein Nischenthema mehr. Millionen Deutsche besitzen inzwischen digitale Assets – als Investment, Zahlungsmittel oder Teil eines diversifizierten Portfolios. Doch mit wachsender Verbreitung steigt auch die Zahl der Missverständnisse rund um die steuerliche Behandlung von Kryptowährungen.
Einer der häufigsten Irrtümer lautet: „Bitcoin-Gewinne unterliegen der Abgeltungssteuer von 25 Prozent – genau wie Aktien oder Fonds.“
Das klingt logisch, ist aber falsch. Im Gegensatz zum klassischen Wertpapierhandel fallen Krypto-Gewinne nicht unter die pauschale Abgeltungssteuer, sondern werden nach den Regeln für private Veräußerungsgeschäfte (§ 23 EStG) behandelt.
Dieser Unterschied ist entscheidend – und kann über erhebliche Steuerzahlungen oder Steuerfreiheit entscheiden. In diesem Artikel erfährst du, wie die Bitcoin-Besteuerung tatsächlich funktioniert, welche Fehler Anleger vermeiden sollten und wie du deine Gewinne legal steuerfrei realisieren kannst.
Warum Bitcoin nicht der Abgeltungssteuer unterliegt
Bei klassischen Kapitalanlagen – etwa Aktien, ETFs oder Anleihen – gilt die Abgeltungssteuer in Höhe von 25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer. Sie wird automatisch von der depotführenden Bank an das Finanzamt abgeführt. Anleger müssen sich in der Regel um nichts kümmern.
Bei Bitcoin und anderen Kryptowährungen ist das jedoch anders:
Das Finanzamt betrachtet sie nicht als Kapitalerträge, sondern als Wirtschaftsgüter im Sinne von § 23 EStG. Damit gelten die Regeln für private Veräußerungsgeschäfte, also vergleichbar mit dem Verkauf von Kunst, Oldtimern oder Edelmetallen.
Der zentrale Unterschied:
- Bei Aktien ist jede Kurssteigerung automatisch steuerpflichtig – unabhängig von der Haltedauer.
- Bei Bitcoin kann der Gewinn komplett steuerfrei sein, wenn die Coins mindestens ein Jahr gehalten wurden.
Kurz gesagt: Bitcoin ist steuerlich kein Wertpapier, sondern ein privates Wirtschaftsgut – und fällt damit nicht unter die Abgeltungssteuer, sondern unter die Einkommensteuer.
Die rechtliche Grundlage: § 23 EStG
§ 23 des Einkommensteuergesetzes regelt sogenannte private Veräußerungsgeschäfte. Dazu zählen auch Transaktionen mit digitalen Vermögenswerten.
Nach dieser Vorschrift gilt:
- Wer Bitcoin innerhalb eines Jahres nach Kauf verkauft oder tauscht, erzielt einen steuerpflichtigen Gewinn.
- Wer Bitcoin nach mehr als einem Jahr Haltedauer verkauft, muss keine Steuern zahlen – egal wie hoch der Gewinn ist.
Damit unterscheidet sich Bitcoin grundlegend von Aktien, bei denen jede Kurssteigerung immer steuerpflichtig bleibt, auch nach zehn Jahren.
Diese Einjahresfrist ist also der Schlüssel zur Steuerfreiheit – und wird von vielen Anlegern unterschätzt oder falsch verstanden.
Die Ein-Jahres-Haltefrist: Wann Gewinne steuerfrei sind
Die sogenannte Spekulationsfrist ist das wichtigste Instrument für Bitcoin-Investoren, um ihre Gewinne steuerfrei zu realisieren.
Das Prinzip ist einfach:
- Kaufst du Bitcoin im Januar 2024 und verkaufst sie nach dem 31. Januar 2025, bleibt der Gewinn steuerfrei.
- Verkaufst du jedoch vor Ablauf der 12 Monate, ist der gesamte Gewinn steuerpflichtig – unabhängig von der Gewinnhöhe.
Beispiel 1: Steuerfreie Veräußerung nach einem Jahr
Ein Anleger kauft im Februar 2023 0,5 Bitcoin für 15.000 Euro.
Im April 2024 verkauft er sie für 30.000 Euro.
→ Gewinn: 15.000 Euro steuerfrei, da die Haltefrist überschritten wurde.
Beispiel 2: Steuerpflichtiger Gewinn innerhalb eines Jahres
Ein Trader kauft im Januar 2025 1 Bitcoin für 80.000 Euro und verkauft im Juli 2025 für 100.000 Euro.
→ Gewinn: 20.000 Euro steuerpflichtig, da Verkauf innerhalb eines Jahres.
Freigrenze für private Veräußerungsgeschäfte
Für kleinere Gewinne sieht das Gesetz eine Freigrenze von 1.000 Euro pro Kalenderjahr (seit 2024) vor.
Diese Regelung ist besonders für Gelegenheitsanleger interessant.
- Liegt dein Gesamtgewinn aus allen privaten Veräußerungsgeschäften (nicht nur Krypto) unter 1.000 Euro, bleibt er komplett steuerfrei.
- Wird die Freigrenze auch nur um einen Euro überschritten, ist der gesamte Gewinn steuerpflichtig – nicht nur der Mehrbetrag.
Beispiel:
Du erzielst 950 Euro Gewinn aus Krypto-Trades → steuerfrei.
Du erzielst 1.050 Euro Gewinn → gesamte 1.050 Euro steuerpflichtig.
Kein automatischer Steuerabzug – Eigenverantwortung gefragt
Ein weiterer großer Unterschied zur Abgeltungssteuer besteht in der Abwicklung.
Während Banken bei Wertpapieren automatisch Steuern einbehalten, liegt die Verantwortung bei Kryptowährungen vollständig beim Anleger.
Das heißt:
- Du musst alle Käufe, Verkäufe und Tauschvorgänge selbst dokumentieren.
- Gewinne oder Verluste müssen in der Anlage SO deiner Einkommensteuererklärung angegeben werden.
- Die Steuerberechnung erfolgt manuell oder mit Unterstützung eines Steuer-Tools.
Wer hier schludert, riskiert nicht nur Nachzahlungen, sondern auch Bußgelder. Das Finanzamt kann bei unvollständigen Angaben Schätzungen vornehmen – meist zu Ungunsten des Steuerpflichtigen.
Typische Irrtümer bei der Bitcoin-Besteuerung
Viele Krypto-Investoren gehen noch immer davon aus, dass Bitcoin wie Aktien behandelt wird. Das führt häufig zu Fehlern bei der Steuererklärung oder zu vermeidbaren Steuerzahlungen.
Hier die häufigsten Missverständnisse:
1. „Ich zahle 25 % Abgeltungssteuer auf meine Bitcoin-Gewinne.“
Falsch.
Es gibt keine Abgeltungssteuer auf Kryptogewinne. Diese werden nach dem persönlichen Einkommensteuersatz besteuert – also zwischen 0 und 45 Prozent, je nach Einkommen.
2. „Ich muss keine Steuern zahlen, wenn ich in Stablecoins umtausche.“
Falsch.
Auch der Tausch von Bitcoin in USDT, USDC oder andere Coins gilt als Veräußerung – und kann steuerpflichtig sein, wenn der Tausch innerhalb eines Jahres erfolgt.
3. „Ich nutze meine Bitcoins nur zum Bezahlen – das ist steuerfrei.“
Falsch.
Auch das Bezahlen mit Bitcoin ist steuerlich eine Veräußerung.
Kaufst du also mit Bitcoin ein Auto oder ein Handy, verkaufst du steuerrechtlich betrachtet deine Coins – inklusive möglicher Steuerpflicht.
4. „Ich mache Verluste, die muss ich nicht angeben.“
Falsch.
Verluste aus Krypto-Trades können mit Gewinnen aus anderen privaten Veräußerungsgeschäften (z. B. Edelmetalle, Kunst) verrechnet werden – aber nur, wenn du sie angibst.
Wie hoch ist die Steuer auf Bitcoin-Gewinne?
Anders als bei der pauschalen Abgeltungssteuer hängt die Steuerlast bei Krypto-Gewinnen von deinem persönlichen Einkommensteuersatz ab.
Einkommen | Steuersatz (circa) | Beispielhafte Steuerlast bei 10.000 € Gewinn |
---|---|---|
Bis 10.000 € | 0 % | 0 € |
20.000 € | 14 % | 1.400 € |
40.000 € | 25 % | 2.500 € |
70.000 € | 35 % | 3.500 € |
100.000 € | 42 % | 4.200 € |
Wichtig: Die Steuer fällt nur an, wenn du innerhalb der Haltefrist verkaufst oder die Freigrenze überschreitest. Wer seine Coins langfristig hält, bleibt steuerfrei.
Staking, Lending und Mining: Sonderfälle mit Tücken
Das BMF-Schreiben von 2025 stellt klar:
Wer Kryptowährungen verleiht (Lending) oder einsetzt, um Zinsen oder Rewards zu verdienen (Staking), erzielt sonstige Einkünfte nach § 22 EStG.
- Diese Erträge sind steuerpflichtig – unabhängig von der Haltefrist.
- Dennoch verlängert die Nutzung von Bitcoin oder Ethereum nicht die Spekulationsfrist auf zehn Jahre (wie bei Immobilien).
Das bedeutet:
Du kannst gestakte oder verliehene Coins weiterhin nach einem Jahr steuerfrei verkaufen, auch wenn du zwischenzeitlich Rewards erhalten hast.
Beim Mining sieht es anders aus:
Hier gelten Erträge in der Regel als gewerbliche Einkünfte (§ 15 EStG), wenn das Mining regelmäßig und mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird.
Dokumentationspflichten: So vermeidest du Ärger mit dem Finanzamt
Das Finanzamt erwartet eine vollständige Nachverfolgung aller Krypto-Transaktionen. Besonders wichtig sind:
- Kauf- und Verkaufsdaten (Datum, Menge, Kurs, Transaktions-ID)
- Umrechnungskurse in Euro zum Zeitpunkt der Transaktion
- Nachweise über Gebühren (z. B. Exchange-Fee, Netzwerkgebühr)
- Wallet-Adressen und Handelsprotokolle
Verwende am besten spezialisierte Steuer-Tools wie CoinTracking, Blockpit oder Accointing. Diese Programme helfen, Transaktionen automatisch zu importieren, Gewinne zu berechnen und rechtskonforme Berichte zu erstellen.
Strategien zur Steueroptimierung
- Langfristig denken:
Wer Coins über ein Jahr hält, realisiert steuerfreie Gewinne. - Freigrenze gezielt nutzen:
Gewinne bis 1.000 € jährlich sind steuerfrei – ideal für kleine Positionen. - FIFO-Methode beachten:
Beim Verkauf gilt das Prinzip „First In, First Out“ – zuerst gekaufte Coins gelten als zuerst verkauft. - Verluste dokumentieren:
Nur wer Verluste angibt, kann sie steuerlich nutzen. - Professionelle Beratung:
Ein Steuerberater mit Krypto-Erfahrung kann helfen, legale Optimierungen zu identifizieren.
Bitcoin-Steuer ist kein Hexenwerk – aber anders als bei Aktien
Viele Anleger begehen den Fehler, Bitcoin steuerlich wie Aktien zu behandeln – und gehen fälschlicherweise von einer Abgeltungssteuer in Höhe von 25 Prozent aus.
Tatsächlich unterliegt Bitcoin aber dem Einkommensteuerrecht (§ 23 EStG), was sowohl Risiken als auch Chancen birgt.
- Wer häufig handelt, muss Gewinne individuell versteuern.
- Wer langfristig denkt und Haltefristen beachtet, kann seine Gewinne komplett steuerfrei realisieren.
Mit dem neuen BMF-Schreiben von 2025 hat der Gesetzgeber die Regeln nun endgültig klargestellt:
Krypto-Gewinne sind kein Zins- oder Dividendenertrag – sondern private Veräußerungsgeschäfte.
Damit endet der Mythos der Abgeltungssteuer für Bitcoin – und beginnt die Ära der bewussten, transparenten und steueroptimierten Krypto-Anlage.
Wer seine Transaktionen sorgfältig dokumentiert, die Haltefrist strategisch nutzt und sich über die steuerlichen Grundlagen informiert, kann auch 2025 und darüber hinaus rechtssicher investieren – und gleichzeitig das Maximum aus seinen Bitcoin-Gewinnen herausholen.
About the Author
Michael Müller
Administrator
Michael Müller ist seit vielen Jahren in der Welt der Kryptowährungen und Finanzmärkte zu Hause. Als ausgewiesener Krypto-Experte verbindet er tiefes Fachwissen mit praktischer Erfahrung im Trading von digitalen Assets, Devisen und klassischen Anlageklassen. Sein Schwerpunkt liegt auf der Analyse von Markttrends, regulatorischen Entwicklungen und technologischen Innovationen, die den Kryptomarkt nachhaltig prägen. Bei Online24.de liefert Michael Müller fundierte Artikel, praxisnahe Analysen und verständlich aufbereitete Ratgeber, die Einsteiger wie auch erfahrene Trader ansprechen. Dabei legt er besonderen Wert auf Transparenz, Risikoabwägung und realistische Strategien, um Lesern einen echten Mehrwert für ihre Investitionsentscheidungen zu bieten. Seine Beiträge zeichnen sich durch eine klare Sprache und praxisorientierte Beispiele aus. Mit seinem Know-how sorgt Michael Müller dafür, dass unsere Leser die Chancen und Risiken von Bitcoin, Ethereum, DeFi & Co. einschätzen können – und so im dynamischen Markt stets den Überblick behalten.